
Musiktheaterwalk von Elli Neubert, Dariya Maminova, Jakob Boeckh, Johanna Winkler, Hanna Kneißler & Ensemble
Staatstheater Wiesbaden, Premiere Februar 2025
Was kann die Architektur eines Gebäudes über Menschen erzählen, die sich darin bewegen? Welche Erfahrungen schreiben sich so in uns ein, dass wir allmählich selbst zur Fassade unserer eigenen Identität werden? Und wie gestalten wir Räume, an denen sich Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit begegnen können?
Für „Fassaden“ begibt sich das Publikum auf eine Expedition an unterschiedlichste Orte innerhalb des Staatstheaters. Unterwegs mischen sich eine Führung durch die verwinkelten Eingeweide des Theaters mit Überraschungsklängen, geheime Rituale mit dem harten Sound eines Undergroundspaces und ein virtuoses Konzert mit der privaten Couch. Die Besucher*innen sind eingeladen, Kunst im Wechselspiel mit speziellen Räumen zu erleben und dabei regelmäßig die Perspektive zu wechseln. Mit „Fassaden“ schafft Elli Neubert interdisziplinäre Experimentier- und Begegnungsorte und schließt ihr Regiestudium an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg ab. Dariya Maminova, Composer in residence am Staatstheater Wiesbaden in der Spielzeit 2024/25, hat für „Fassaden“ u.a. einen Liederzyklus geschrieben und stattet jede der fünf Stationen mit einer individuellen Klangkulisse zwischen Kammermusik und Elektronik aus.
Mit:
Josefine Mindus (Gesang)
Christian Klischat (Schauspiel)
Timur Frey (Schauspiel)
Raquel Nevado Ramos (Tanz)
Tim Hawken (Klavier)
Jonas Finke (Horn)
Edzard Locher (Schlagzeug)
Statisterie des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Regie: Elli Neubert
Musik: Dariya Maminova
Raum & Licht & Video: Jakob Boeckh
Kostüme: Johanna Winkler
Dramaturgie: Hanna Kneißler
Gesangstexte: Amina Hassan
Regieassistenz: Paul Ansmann

Durch die unterschiedlichen Stationen, dem normalerweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Requisitenkeller, dem privaten Wohnzimmer, dem halböffentlichen Foyer und der für alle zugänglichen Außenwelt des Theaters, zeigt das Stück, was sich „hinter der Fassade“ abspielt, und bringt sehr deutlich zur Schau, wie wir uns zwischen Privatem und Öffentlichem verhalten, uns zu Hause oder in einem Konzert geben und kleiden – vielleicht sogar verkleiden – und wie sich Räume und die sich darin aufhaltenden Menschen gegenseitig beeinflussen. Mit „Fassaden“ ist es dem Produktionsteam gelungen, einen amüsanten, kurzlebigen und doch packenden Abend zu kreieren, bei dem die Besucher Teil der Performance werden und durch dessen niedrigschwelligen Ansatz ein breites Publikum angesprochen wird.
FAZ, Irem Cati, 06.03.2025
Der „Walk“ trägt der Tatsache Rechnung, dass in der historistischen „Weltkurstadt“ der Schein eine mindestens so tragende Rolle spielt wie das Sein und hinter reichlich vorhandenem Ornament Verbrechen lauern – zum Beispiel kolonialer Art. Dabei wird die Architektur selbst zum Sprechen, zum Klingen gebracht. Im imperialen Privattreppenhaus etwa ist in einer Nische ein Hornist platziert: Jonas Finke erinnert dort in Rokoko-Kostümierung an Kunst als Staffage der Macht. Zum Charme des so unterhaltsamen wie reflektierten Abends trägt bei, dass derweil im Großen Haus große Oper läuft. (…) Im Foyer dürfte dem Publikum später deutlich werden, dass es Teil einer Inszenierung ist: Man wird, mit einem Gläschen alkoholfreien Sekt an Tischchen arrangiert, Statist(in) eines verdächtig gepflegten „Liederabends“, in dem die Komposition selbst mit prachtvollen Stil-Fassaden spielt (…)
Wiesbadener Kurier, Volker Milch, 05.03.2025
Elli Neuberts Stück befragt bei dieser szenisch fundierten Erkundungstour anhand konkreter Bilder die Beziehung zwischen Mensch und Raum. So wie sie rein äußerlich, also als Fassaden, erscheinen. „Welche Fassaden tragen Gebäude? Welche Fassaden tragen wir selbst?“ Wie beeinflussen Gebäude/Räume unsere Selbstdarstellung? Der Abend gibt nicht nur eine große Vielfalt an Eindrücken, sondern auch an Denkanregungen. Viel Applaus.
Kulturfreak, Markus Gründig, März 2025



Fotos: Maximilian Borchardt